Man lernt ja bekanntlich nie aus. Diese Woche habe ich gelernt, dass man statt „normalen“ Koffern ganz einfach auch 2.99 € Umzugskartons mit in das Flugzeug nehmen kann. Checked Baggage, also der Scheiß, der unten im Bauch des Flugzeugs von Gepäckverladern immer so roh herumgeworfen wird, hat nämlich keine feste Form. Zumindest bei den meisten Airlines nicht.
Stattdessen dürfen Höhe/Länge/Tiefe halt 158 cm nicht überschreiten. Und Umzugskartons mit 60x40x40 sind da sogar 18 Zentimeter drunter.

Weil pro „Koffer“ bei Lufthansa etwa 80 € Zuzahlung anfallen, habe ich stattdessen Business Class gebucht. Damit kann ich statt einem 23 kg Koffer zwei 32 kg mitnehmen. Einen dritten habe ich dann dazu gebucht, und komme für etwa 450 € zum ersten (und wahrscheinlich letzten) Mal in meinem Leben in Luxus nach Deutschland.
In den Preis inbegriffen ist die Lounge, was mir schon alleine deshalb viel Geld spart, weil ich Dosencola klauen kann, statt sie für Teuergeld im Kiosk nach der Sicherheitszone kaufen zu müssen.

Was mir auch unheimlich fehlen wird, ist die Lieferkultur hier auf der Insel. Die Kartons, Duct Tape, Bubble Wrap, und aus Gründen noch einen Kaffee, zwei Cola, ein Käsecroissant, und neue Batterien für die Fernbedienung meiner Klimaanlage, habe ich per Kurier bestellt, und 30 Minuten später hat der Bike Messenger unten geklingelt. So hat Zypern, und besonders unsere mittelständischen Läden, die sehr strikten Lockdowns überlebt1.
Draußen regnet es noch immer, etwas ungewöhnlich für Zypern im Mai, aber auch nichts was man nicht schon erlebt hat. Die Gewitter sind jedenfalls vergleichsweise zahm, was mich ärgert, weil ich die großen, lauten, am liebsten mag.

Für meine Bestellung habe ich also auf eine stille, regenfreie, halbe Stunde gewartet, was bedeutet hat, dass ich erst jetzt und heute meine Boxen habe. Jetzt sind sie da, und alles ist im Lot.
Morgen kommen die Reinigungsmenschen, zwei Schwestern aus Litauen, die bei uns sauber machen. Bis dahin will ich das Zimmer mehr oder weniger leer haben. Dann noch acht Tage hier im Regen, und ab gehts nach Deutschland, zum letzten Mal.
Vermissen werde ich hier viel. Zypern war, dank Army, viel umziehen, einer etwas bewegten Kindheit, und meiner generellen Unstetigkeit, persönlich und beruflich, das Längste, das ich seit meinem 10. Geburtstag in einer Stadt, in einer Straße, in einem Zimmer, gelebt habe. Vor allem, wenn man bedenkt, dass ich das nächste Jahr mehr oder weniger auf den Füßen unterwegs verbringen werde, schon ein grober Einschnitt.




Bilder: die zwei Seiten der Insel. Die Narben des ethnischen und religiösen Konflikts zwischen radikalen Anhängern der Vereinigung mit Griechenland (EOKA) und der türkischen Minderheit gegenüber den wunderschönen kleinen Bergdörfern und Aussichten.
Klar freue ich mich auf den Sommer zu Fuß. Und auf den Herbst und Winter auch. Ich freue mich auf die Berge, die langen Feldwege, die Strände. Auf die Menschen, die ich treffen werde. Aber ich muss auch gestehen, dass ich dieses Gefühl des „Daheimseins“ hier auf Zypern sehr vermissen werde, und mit ihm meine Freunde und Bekannten, die mir dieses Gefühl maßgeblich gegeben haben.
Mit jeder Tüte Müll, jeder Spendenkiste, jedem verkauften Gegenstand, löst sich diese Nabelschnur zum Zuhause. Auf der anderen Seite erwartet mich für ein paar Tage eine Matratze in einer Abstellkammer, dann das Ungewisse. Aufregend, spannend, wirklich mit Endorphinen geladen, aber trotzdem auch etwas traurig.
Mein ganzes Leben hier, zwei Jahre im Lockdown, vier Jahre auf der Insel, reduziert auf drei Umzugskartons. Man denkt ja immer, dass man endlich „erwachsen“ ist, aber hier bin ich mehr gewachsen als ich zugeben wollte. Vielleicht stimmt es ja schon, dass man nur dann stark wird, wenn die Wurzeln stetig und mit Freundschaft gegossen sind, wie das Thoreau mal schrieb.
Aber hilft ja nix. Also rein in die Eisen, noch eine Kiste packen, dann etwas WoW spielen und/oder mal schauen ob irgendwer Lust auf eine Shisha und Pommes im Narghile hat.
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